Bei einem Karenztag bezahlt der Arbeitgeber Mitarbeitern am ersten Krankheitstag kein Geld. Hier erfährst du, wie dieses Thema in Deutschland gesetzlich geregelt ist. Unter anderem geht es darum: Müssen Arbeitnehmer Karenztage nehmen, wenn der Arbeitgeber das verlangt? Ist ein Karenztag bei der Arbeit zulässig, wenn sich Beschäftigte darauf einlassen? Und wie ist die Situation in anderen Ländern?
Inhaltsübersicht:
Was ist ein Karenztag?
Wenn Arbeitnehmer krank werden und deshalb nicht arbeiten können, haben sie dennoch Anspruch auf ihren üblichen Lohn. Der Arbeitgeber muss ihnen ihr reguläres Gehalt trotz ihres Fehlens am Arbeitsplatz wie gehabt zahlen – und zwar schon am ersten Fehltag. Einen Karenztag, wie er in manchen anderen Ländern üblich ist, gibt es in Deutschland nicht.
Wenn im Zusammenhang mit Krankheitsfällen bei Erwerbstätigen von einem Karenztag die Rede ist, geht es um einen Tag, an dem jemand bei einer Krankschreibung keine Lohnfortzahlung durchseinen Arbeitgeber erhält. So müssen erkrankte Beschäftigte etwa in Schweden am ersten Fehltag auf ihr Gehalt verzichten, ab dem zweiten Krankheitstag bekommen sie Krankengeld vom Arbeitgeber. In Dänemark enthalten manche Tarifverträge entsprechende Regelungen, dasselbe gilt für Norwegen.
In Österreich gab es früher Karenztage im Krankheitsfall, sie wurden jedoch im Jahr 2019 abgeschafft. In Frankreich hängt es unter anderem von der Branche ab, ob erkrankte Beschäftigte weiterhin ihr Gehalt bekommen. In den USA gibt es keine Karenztage, aber auch keine gesetzliche Lohnfortzahlung im Krankheitsfall. Ob Betroffene Krankengeld erhalten, hängt dort von ihrem Arbeitgeber und ihrem Wohnort ab.
An einem Karenztag bezahlt der Arbeitgeber ausgefallene Mitarbeiter nicht – dafür gibt es aus Arbeitgebersicht gute Gründe. Erkrankte Mitarbeiter verursachen Kosten (in Form der Lohnfortzahlung im Krankheitsfall), fallen aber aus – ihre Arbeit bleibt liegen oder muss von anderen Beschäftigten übernommen werden. Dadurch sinkt die Produktivität, was umso gewichtiger ist, je mehr und je öfter Beschäftigte erkrankt sind.
Wenn Arbeitnehmer am ersten Krankheitstag kein Geld bekommen, hat das eine abschreckende Wirkung. Betroffene werden sich dann zweimal überlegen, ob sie sich wirklich krankmelden sollen. Vor allem bei leichten Beschwerden kann eine Karenztag-Regelung dazu führen, dass Arbeitnehmer trotzdem zur Arbeit gehen. Die Folgen: Der Arbeitgeber muss nicht auf die Arbeitskraft seiner Mitarbeiter verzichten. Und für Mitarbeiter, die sich dennoch krankmelden, spart das Unternehmen zumindest einen Tag lang Geld. Das kann sich summieren.
Karenztag: So ist die Gesetzeslage in Deutschland
Wie es sich mit dem Lohn oder Gehalt von Beschäftigten im Krankheitsfall verhält, ist in Deutschland durch das Entgeltfortzahlungsgesetz (EFZG) geregelt. Karenztage sind darin nicht vorgesehen – Arbeitgeber sind dazu verpflichtet, erkrankten Mitarbeitern den üblichen Lohn ohne Einbußen zu zahlen, und zwar für bis zu sechs Wochen.
Die Pflicht zur Lohnfortzahlung ist an bestimmte Voraussetzungen geknüpft. So müssen Beschäftigte ein ärztliches Attest einreichen, das ihre Krankheit nachweist, und zwar spätestens am vierten, manchmal auch schon am ersten Fehltag. Darüber hinaus besteht der Anspruch auf Lohnfortzahlung im Krankheitsfall erst, wenn das Arbeitsverhältnis seit mindestens vier Wochen ununterbrochen besteht.
Wenn jemand länger als sechs Wochen erkrankt und deshalb arbeitsunfähig ist, ist der Arbeitgeber nicht mehr zur Lohnfortzahlung verpflichtet. Stattdessen haben die Betroffenen Anspruch auf Krankengeld von ihrer Krankenversicherung, das jedoch zumeist niedriger ist als das Gehalt. Die Höhe des Krankengelds hängt vom Einkommen des erkrankten Arbeitnehmers ab. Es beträgt 70 Prozent des letzten beitragspflichtigen Arbeitsentgelts, darf aber 90 Prozent des Nettogehalts nicht übersteigen.
Welche rechtlichen Regelungen in einem Arbeitsverhältnis gelten, hängt nicht nur von der aktuellen Gesetzeslage ab. Auch die individuellen Bestimmungen desArbeitsvertrags sowie kollektive Vereinbarungen in Tarifverträgen und Betriebsvereinbarungen wirken sich aus. Ist es möglich, dort Karenztage zu vereinbaren? Nein. Die Pflicht zur Entgeltfortzahlung ab dem ersten Krankheitstag gilt für alle Arbeitnehmer in Deutschland. Es ist nicht erlaubt, davon abzuweichen – auch nicht mit dem Einverständnis der Beschäftigten, das diese mit ihrer Unterschrift unter dem Arbeitsvertrag in der Theorie geben könnten.
Karenztag bei der Arbeit: Vor- und Nachteile für Arbeitgeber und Beschäftigte
Wenn Arbeitnehmer im Krankheitsfall einen Karenztag nehmen müssen, statt sofort ihren üblichen Lohn zu erhalten, ist das mit Vor- und Nachteilen verbunden. Diese sind jedoch recht einseitig verteilt: Vorteile hat das Modell nur für Arbeitgeber, während es für erkrankte Arbeitnehmer nachteilig ist. Zugleich kann es allerdings auch für Arbeitgeber mit Risiken verbunden sein.
Vorteile von Karenztagen
- Eine Karenztag-Regelung kann dazu führen, dass sich Beschäftigte weniger leichtfertig krankmelden. Sie gehen mit leichten Erkrankungen zur Arbeit und sind weniger geneigt, eine Krankheit nur vorzutäuschen.
- Mit Karenztagen können Arbeitgeber also Kosten sparen und dafür sorgen, dass die Personaldecke im Schnitt höher ist, wenn sich weniger Mitarbeiter krankmelden.
- Auch der Verwaltungsaufwand reduziert sich.
Nachteile von Karenztagen
- Für Arbeitnehmer liegen die Nachteile von Karenztagen auf der Hand: Werden sie krank und können deshalb nicht arbeiten, bekommen sie kein Geld. Sie sind also im Krankheitsfall zumindest anfangs nicht finanziell abgesichert.
- Das kann dazu führen, dass sich Beschäftigte – besonders Menschen mit geringem Einkommen, die sich Gehaltseinbußen nicht leisten können – krank zur Arbeit schleppen.
- Die drohenden finanziellen Einbußen sorgen außerdem für Druck und können Stress verursachen, der sich ebenfalls negativ auf die Gesundheit der Betroffenen auswirken kann.
- Kranke Beschäftigte können Kollegen anstecken. Schlimmstenfalls fehlen am Ende mehr Mitarbeiter, als wenn jemand sofort zu Hause geblieben wäre.
- Auch für das Betriebsklima kann eine Karenztag-Regelung ein Nachteil sein. Die Beschäftigten fühlen sich womöglich nicht wertgeschätzt oder vom Arbeitgeber unter Druck gesetzt. Das kann die Zufriedenheit der Mitarbeiter verringern.
- Beschäftigte können auch das Gefühl haben, dass der Arbeitgeber ihnen misstraut. Das kann das Verhältnis zwischen Arbeitgeber und Mitarbeitern belasten.
Karenztag: So ist das Thema in anderen Ländern geregelt
Wie es im Krankheitsfall mit dem Gehalt aussieht, ist je nach Land verschieden. Hier findest du einige Beispiele dafür, wie unterschiedlich die Regelungen sein können.
Schweden
In Schweden gibt es am ersten Krankheitstag einen Karenztag, auf Schwedisch „Karensdag“. Wer dort erkrankt, bekommt also einen Tag lang kein Gehalt. Ab dem zweiten Tag gibt es Krankengeld.
Großbritannien
In Großbritannien müssen erkrankte Beschäftigte drei Tage lang ohne Gehalt auskommen. Anschließend erhalten sie bis zu 28 Wochen lang den sogenannten Statutory Sick Pay (SSP) in einer pauschalen Höhe von rund 116 Pfund pro Woche. Es kann jedoch sein, dass der Arbeitgeber freiwillig schon am ersten Tag etwas zahlt oder mehr zahlt („Company Sick Pay“).
Kanada
Hier kommt es auf die Provinz an, in der jemand lebt beziehungsweise arbeitet. Meist wird Krankengeld in Kanada erst nach einigen Karenztagen gezahlt. Betriebliche Vereinbarungen oder Tarifverträge können bezahlte Krankheitstage vorsehen.
USA
In den USA gibt es keine gesetzliche Lohnfortzahlung im Krankheitsfall, jedenfalls nicht als landesweite Regelung. In der Praxis kommt es auf den Bundesstaat und den Arbeitgeber an. Manche Firmen bieten „Paid Sick Leave“ an, aber besonders im Niedriglohnsektor müssen erkrankte Beschäftigte auf Einkünfte verzichten.
Frankreich
In Frankreich gibt es drei Karenztage im Krankheitsfall. Erst danach bekommen erkrankte Arbeitnehmer ein Krankengeld von der Krankenversicherung, das rund 50 Prozent des Bruttolohns entspricht. Durch Tarifverträge oder betriebliche Regelungen kann es jedoch sein, dass Arbeitgeber ihren Mitarbeitern schon während der Wartezeit etwas zahlen oder das Krankengeld bezuschussen. Dadurch können die Betroffenen schon am ersten Fehltag Geld vom Arbeitgeber bekommen.
Südkorea
Hier sieht es für viele Arbeitnehmer schlecht aus: Wer in Südkorea krank wird, muss oft Urlaubstage aufwenden oder unbezahlt zu Hause bleiben. Arbeitgeber sind nicht gesetzlich verpflichtet, den Lohn weiter zu zahlen, wenn ein Mitarbeiter erkrankt ist. Lediglich in größeren oder tarifgebundenen Unternehmen können bezahlte Krankheitstage als freiwillige Leistung vorgesehen sein.
China
Hier kommt es auf die Region und das Unternehmen an. Krankheit bedeutet für viele Beschäftigte einen Verdienstausfall. Eine Zahlung erhalten Beschäftigte in vielen Fällen nicht oder nur in minimaler Höhe.
Alternativen zum Karenztag: Was Arbeitgeber tun können, um Fehlzeiten zu verringern
In Ländern, in denen Karenztage gesetzlich erlaubt oder vorgesehen sind, helfen sie Arbeitgebern dabei, Kosten zu sparen. In Deutschland besteht diese Möglichkeit für Unternehmen nicht. Dafür gibt es andere Strategien, die Arbeitgeber verfolgen können, um Fehlzeiten zu verringern. Hier stellen wir dir einige vielversprechende Ansätze vor.
Ein gutes Arbeitsklima
Mitarbeiter werden und melden sich eher krank, wenn sie im Job unzufrieden sind und Stress haben. Wie es um die Mitarbeiterzufriedenheit bestellt ist, spiegelt das Arbeitsklima wider. Wo es gut ist, sind Fehlzeiten meist automatisch geringer. Das hängt mit Aspekten wie Fairness, Wertschätzung und Anerkennung zusammen. Durch eine respektvolle, transparente Kommunikation und gute Arbeitsbedingungen können Arbeitgeber zu einem guten Betriebsklima beitragen.
Eine hohe Mitarbeiterzufriedenheit
Eng damit verknüpft ist eine hohe Mitarbeiterzufriedenheit bei den einzelnen Beschäftigten. Wer im Job zufrieden ist, hat weniger Stress und wird deshalb seltener krank. Er meldet sich auch nicht so leichtfertig krank.
Respektvoller, fairer Umgang miteinander
Fehlzeiten hängen auch damit zusammen, wie gut das Verhältnis zwischen Vorgesetzten und Mitarbeitern ist – und ob Letztere sich von ihren Chefinnen und Chefs gut behandelt fühlen. Wo der Umgang respektvoll und fair ist, sinkt die Zahl der Krankheitsfälle in der Regel.
Betriebliches Gesundheitsmanagement und Gesundheitsförderung
Es kann sich für Arbeitgeber lohnen, ihren Mitarbeitern ein breites Spektrum an Gesundheitsangeboten zur Verfügung zu stellen. Das können zum Beispiel geförderte Kurse sein, Schulungen oder Workshops. Entscheidend ist, dass das Angebot zu den Bedürfnissen und Präferenzen der Arbeitskräfte passt.
Arbeitnehmerfreundliche Arbeitsbedingungen
Auch durch gute Arbeitsbedingungen können Arbeitgeber krankheitsbedingten Fehlzeiten vorbeugen. Das reduziert das Stresslevel und hilft den Beschäftigten dabei, die Arbeit mit ihrem Privatleben zu verbinden. Beispiele für mögliche Ansätze sind flexible Arbeitszeiten und die Möglichkeit zur Arbeit im Homeoffice.
Ein angemessener Workload
Wenn Mitarbeiter ständig im Stress sind, weil sie zu viel zu tun haben und die Erwartungen des Arbeitgebers hoch sind, fallen sie eher aus. Deshalb haben Arbeitgeber unmittelbar etwas davon, wenn sie darauf achten, dass das Arbeitspensum ihrer Mitarbeiter angemessen ist. Eine faire Verteilung von Aufgaben, ausreichend Pausen und Urlaubstage sind dafür hilfreich.
Der Karenztag im politischen Diskurs: So ist der Stand in Deutschland
In Deutschland gibt es keine Karenztage, wenn Arbeitnehmer krank werden und dadurch im Job ausfallen. Das heißt allerdings nicht, dass es nicht gelegentlich entsprechende Vorstöße von Arbeitgebervertretern, Wirtschaftsverbänden oder Parteien gäbe. Parteien wie CDU, CSU und FDP haben solche Vorschläge zum Teil unterstützt, weil sie darin eine Möglichkeit sehen, Arbeitgeber ebenso wie den Sozialstaat zu entlasten.
Gegenwind gibt es bei solchen Debatten etwa von der SPD und den Grünen. Auch Gewerkschaften lehnen entsprechende Vorschläge ab. Sie sehen darin eine Schwächung von Arbeitnehmerrechten und empfinden Karenztage als unfair. Sie befürchten, dass Karenztage dazu führen könnten, dass Beschäftigte krank zur Arbeit gehen – besonders Menschen mit Jobs mit geringem Gehalt, die sich Lohneinbußen nicht leisten können. Dass Menschen mit wenig Einkommen übermäßig belastet würden, sehen Kritiker als Anzeichen dafür, dass eine Karenztag-Regelung sozial ungerecht wäre.
Im Gespräch ist darüber hinaus regelmäßig eine Reform der Lohnfortzahlung im Krankheitsfall. Bislang müssen Arbeitgeber den Lohn von erkrankten Mitarbeitern bis zu sechs Wochen lang weiterzahlen, bis die Krankenkasse mit Krankengeld übernimmt. Nach Ansicht mancher Parteien und Verbände könnte insbesondere der Zeitraum der Lohnfortzahlung verkürzt werden. Kritiker befürchten, dass solche Veränderungen die soziale Sicherung von Arbeitnehmern unterlaufen könnten.
Trotz regelmäßiger Vorstöße ist derzeit weder in Aussicht, dass ein Karenztag in Deutschland eingeführt wird, noch dass der Zeitraum der Lohnfortzahlung im Krankheitsfall verringert wird.
Karenztag: Das Wichtigste auf einen Blick
- Bei einem Karenztag bekommen Arbeitnehmer keinen Lohn, wenn sie sich krankmelden. Üblicherweise gilt eine solche Regelung für den ersten Fehltag – anschließend zahlt der Arbeitgeber das übliche Arbeitsentgelt. Eine solche Regelung soll verhindern, dass sich Arbeitnehmer leichtfertig krankmelden oder eine Krankheit nur vortäuschen.
- In Deutschland gibt es keinen Karenztag. Er wäre mit der aktuellen Gesetzeslage in Form des Entgeltfortzahlungsgesetzes nicht vereinbar. Das Gesetz verpflichtet Arbeitgeber dazu, erkrankten Beschäftigten vom ersten Fehltag an ihren üblichen Lohn weiterzuzahlen.
- Karenztage können Vor- und Nachteile haben. Vorteilhaft ist das Modell nur für Arbeitgeber, wobei auch diese dadurch Nachteile haben können – zum Beispiel durch eine geringere Mitarbeiterzufriedenheit oder wenn Beschäftigte andere anstecken.
- In Deutschland gibt es immer wieder politische Diskussionen bezüglich der Lohnfortzahlung im Krankheitsfall. Während manche Wirtschaftsverbände und Arbeitgeber Karenztage fordern oder sich gegen die bisherige bis zu sechswöchige Lohnfortzahlung aussprechen, lehnen Gewerkschaften und Parteien wie SPD und Grüne entsprechende Vorstöße ab. Derzeit scheint die Einführung von Karenztagen in Deutschland daher unwahrscheinlich.
- Arbeitgeber dürfen keine Karenztage mit ihren Mitarbeitern vereinbaren. Um Fehlzeiten zu verringern, kommen jedoch alternative Ansätze in Betracht – darunter eine aktive Gesundheitsförderung und arbeitnehmerfreundliche Arbeitsmodelle.
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